Die zur Österreichischen Post AG gehörende bank99 übernimmt das Privatkundengeschäft der niederländischen ING Group in Österreich. Das teilten Offizielle der Post und der ING Group übereinstimmend in Pressemitteilungen mit. Der Deal umfasst fasst den Übergang einer Bilanzsumme von 1,7 Milliarden Euro.
Bis zum Ende des Jahres 2021 sollen die 150.000 private Bankkundinnen und Bankkunden der ING Group mit ihren Girokonten, Hypothekarkrediten und Wertpapierdepots auf die Österreichische Post AG übergehen. Die betreffenden Mitarbeiter für das Privatkundengeschäft der ING Group sollen von der Post AG übernommen werden beziehungsweise neue Verträge erhalten.
Das Geschäft mit Spareinlagen und hier vor allem Festgeldanlagen von Privatkunden sowie das Firmenkundengeschäft verbleiben jedoch nach wie vor bei der ING Group.
Die Transaktion steht jedoch noch unter dem Vorbehalt der Erteilung der noch ausstehenden Aufsichts- und Wettbewerbs-behördlichen Genehmigung durch die Bundeswettbewerbsbehörde in Wien. Über den Kaufpreis für das Privatkundengeschäft der ING Group wurde indes noch nichts bekannt.
Der Deal der bank99 mit der ING Group Österreich auf einen Blick:
- Übernahme des Privatkundengeschäfts der ING Group durch die bank99
- bis zu 150.000 Kundinnen und Kunden der ING Group betroffen
- Übernahme der Mitarbeiter durch die bank99
- Steigerung der Bilanzsumme der bank99 um 100 Millionen Euro
- Aufsichts- und Wettbewerbs-behördlichen Genehmigung steht noch aus
bank99 will weiter wachsen
Die zu 80 % der Österreichischen Post AG und zu 20 % der Capital Bank – GRAWE Gruppe gehörende bank99 bietet ihren Service seit dem 1. April 2020 über ihre 413 Postfilialen in Österreich sowie online über ihre Webseite an. Wie Postgeneraldirektor Georg Pölzl gegenüber der Presse erklärte, soll mit der Übernahme des Privatkundengeschäfts der ING Group die Kundenbasis der bank99 gestärkt und weiter ausgebaut werden.
- Die Eigenkapitalbasis der bank99 könne nun durch die Übernahme um etwa 100 Millionen Euro erhöht werden.
- Durch die Pandemie befand sich die 2020 gestartete bank99 in einer schwierigen Anlaufphase. In 2020 machte die bank99 ein Minus von 30,7 Millionen Euro, bei einer Bilanzsumme von insgesamt 603 Millionen Euro.
Das Bestreben der Verantwortlichen sei es, eine kritische Größe zu erreichen und in den nächsten drei Jahren ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. Das negative Ergebnis im Startjahr sei vor allem auf hohe Investitionen im Zusammenhang mit dem Launch der Marke bank99 zurückzuführen. Die Marke verzeichne jedoch einen hohen Zulauf. Neben Giro- und Sparkonten werden vor allem Debitkarten, Kreditkarten angeboten.
Während der Pandemie wurden weitere Produkte Kontotypen und Produkte eingeführt, wie das helferkonto99 für alle Mitglieder systemrelevanter Organisationen oder das bildungskonto99 für in Aus- oder Weiterbildung befindliche junge Erwachsene hinzu.
Seit Kurzem werden auch Bausparverträge und Bauspardarlehen sowie Versicherungen angeboten. Neben dem analogen Geschäft über die Filialen will man vor allem auch das rund um die Uhr verfügbare digitale Online-Geschäft weiter ausbauen.
ING Group weiterhin im Umbau
Die ING Group ist ein Allfinanz-Dienstleister aus den Niederlanden mit Hauptsitz in Amsterdam und gehört mit einer Bilanzsumme von 937 Milliarden Euro zu den 30 größten Banken weltweit. Die Geschäftstätigkeit erstreckt sich auf Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien. Die Bank gehört zu der Gruppe der systemrelevanten Banken. Das operative Ergebnis sank in 2020 von 6,7 Milliarden auf 4,6 Milliarden Euro. Die Gründe sind dringend notwendige Desinvestitionen sowie Pandemie-bedingte Ausfälle.
Der Verkauf des Privatkundengeschäftes der ING Group in Österreich passt sich ein in die langfristige Strategie „Back to the Basics“, mit der die Bank schrittweise verkleinert und damit bestehende Risiken im Portfolio der Bank reduziert werden sollen.
Die ING Group hatte nach der Finanzkrise in 2008 erhebliche staatliche Finanzhilfen Notfonds der niederländischen Regierung in Anspruch nehmen müssen. Außerdem wurden insgesamt Hypothekarkredite im Wert von 26 Milliarden Euro vom niederländischen Start übernommen. Seinerzeit wurde sogar eine Zerschlagung der Bank angeregt, um den Koloss krisenfester zu machen. Im Laufe der Zeit nach der Finanzkrise bis heute wurden bereits wesentliche Bereiche der Bank verkauft oder abgewickelt. Dazu gehören unter anderem die ING Direct USA, die ING Canada, die ING Direct UK Großbritannien oder die ING Private Banking Schweiz. Außerdem wurde das Broker- und Re-Insurance-Geschäft in den USA abgegeben.
Mit dem Aufkommen der Fintechs geriet die Bankenwelt ins Wanken
Schon seit einigen Jahren haben Fintechs wie zum Beispiel deutsche N26 einen Generalangriff auf den klassischen Bankensektor mit Privatkunden geblasen. Sie bieten ihre Dienste ausschließlich online an und decken dabei die gesamte Wertschöpfungskette der Banken im Privatkundengeschäft ab.
Kunden können sich ihr Gehalt aufs Online Konto zahlen lassen, Geld mit der Karte bezahlen. Online einkaufen, Überweisungen mit den neuesten Zahlungsmethoden überall in die Welt hin unternehmen, Geld anlegen, Kredite aufnehmen, Versicherungen abschließen und ihren Vermögensbau planen und das alles vom Handy aus.
- Die Fintechs setzen dabei auf ihren Innovationsvorsprung und niedrige bürokratische Hürden.
- Sie zeichnen sich bislang dadurch aus, dass sie innovativer, schneller und was vielen Kunden besonders wichtig ist, meist auch günstiger sind als die großen Geschäftsbanken.
- Die günstigeren Gebühren werden dadurch möglich, dass von vornherein kein Filialgeschäft betrieben wird und auf eine weltweite Skalierung und ein schnelles Wachstum gesetzt wird.
- IT-Strukturen, die bei klassischen Banken in der Vergangenheit selbst aufgebaut und finanziert werden müssen sind bei den Fintechs von vornherein ausgelagert.
In vielen Chefetagen der Großbanken musste man lange Zeit wehrlos zuschauen, wie sich vor allem die jungen web-affinen Generationen von ihnen abwendeten. Erst allmählich setzte ein Umdenken ein. Die klassischen Banken müssen sich wie auch die Gründung der bank99 und der Kauf des Privatkundengeschäftes der ING Group zeigt bewegen und selbst auch innovativer und mutiger werden, wenn sie dem Konkurrenzdruck in Zukunft standhalten wollen.